Düsseldorf/Balingen - Verbraucher fragen sich beim Einkaufen stets, woran sie den tatsächlichen Frischegehalt verpackter Ware erkennen können. Das Mindesthaltbarkeitsdatum prognostiziert, wie lang das Produkt haltbar wäre ohne dabei an Geschmacksqualität zu verlieren – stets ideale Lagerbedingungen vorausgesetzt. Das Problem: Sollte beispielsweise im Kühltransporter des Speditionsunternehmens die Kühlung ausfallen, so bekommen weder Produzent, Einzelhändler noch Verbraucher etwas von dieser unsachgemäßen Lagerung mit. Die Folgen für das Produkt sind verheerend: Denn frische Lebensmittel sind biologische Systeme, bei denen es mit zunehmender Lagerdauer zur Veränderungen innerhalb der Verpackung kommt. Wird Hackfleisch kurzzeitig bei 15 Grad gelagert, so steigt die Zahl der Keime explosionsartig an.
Für eine unsachgemäße Behandlung durch Zwischenhändler haftet der Lebensmittelhersteller selbst nicht. Für spätere Haftungsfragen ist für ihn nur entscheidend, dass das Produkt vor Reiseantritt keine Mängel aufweist. „Zwei prinzipielle Schwachpunkte haben wir im System. An sämtlichen Prozessschritten sind immer Menschen beteiligt, die individuelle Fehler machen können - wissentlich oder unwissentlich. Eine andere große Fehlerquelle ist der Datenlogger zur Kontrolle kompletter Chargen, die sich aus unterschiedlichen Packungen zusammensetzen. Wenn während des Transports beispielsweise die LKW-Tür geöffnet wird, dann sind im vorderen Bereich der Ladefläche höhere Temperaturen und man kann Probleme mit der Charge bekommen“, erklärte Marc Büttgenbach, Vertriebsleiter Papier und Etiketten des Technologieherstellers Bizerba http://www.bizerba-openworld.com, bei einem Fachgespräch des Unternehmermagazins Wirtschaftsbild http://www.wirtschaftsbild.de in Düsseldorf.
Neue Etikettierverfahren sollen deshalb sowohl Kühlkettenlogistik als auch Verbraucherschutz verbessern. Hier kommen so genannte Zeit Temperatur-Indikatoren (TTI) ins Spiel, die die genauen Lagerbedingungen von Verpackungseinheiten dokumentieren können. „TTI hat die Form eines Etiketts und dieses Etikett besteht aus einem Farbmittel. Das heißt, der Kern des Etiketts besteht aus einem Pigment, das seine Farbe über die Zeit und über die Temperatur verändert. Am Anfang beim Etikettieren wird es aktiviert durch eine UV-Lichtquelle und ist dunkelblau. Im Laufe der Zeit und in Abhängigkeit von der Temperatur entfärbt sich dieses Etikett wieder. Dieser Entfärbeprozess geht umso schneller, je höher die Temperatur ist. Das Etikett merkt sich sozusagen die Zeit-Temperatur-Geschichte der Verpackung, auf der es angebracht wurde. Wir haben dann auf dem Etikett noch eine Referenzfarbe. So lange der aktive Teil dunkler ist als die Referenzfarbe, ist das Lebensmittel noch frisch und es wird angezeigt, dass die Kühlkette eingehalten wurde. Sobald es heller wird als die Referenzfarbe, sollte das Lebensmittel nicht mehr verwendet werden“, so Dr. Thomas Bolle, Leiter neue Anwendungen beim schweizerischen Chemiekonzern CIBA http://www.ciba.com.
Für die Industrie werde noch eine Codierungsoption angeboten. „Beim Aktivierungsvorgang kann man dann alle Informationen des gesamten Trackings zu einem späteren Zeitpunkt auch maschinell auslesen. Also nicht nur mit der reinen Sichtprüfung, was natürlich den Konsumenten interessiert, sondern mit einem Lesegerät“, ergänzte Dieter Conzelmann, Director Industry Solutions Market bei Bizerba. Das sei ein Vorteil für die Industrie. Man müsse keine speziellen Bedingungen und klimatische Verhältnisse schaffen, um das Etikett laden zu können. „Das Handling ist sehr einfach. Das Etikett wird artikelabhängig geladen und auf das Produkt geklebt, und schon startet die Messbarkeit“, so Conzelmann. Zukünftig könne jeder in der Logistikkette sicher sein, frische Ware zu übernehmen. Der 2D-Matrix-Code beinhalte alle wichtigen Informationen wie Aktivierungsdatum, Uhrzeit, Chargennummer, Temperaturvorgabe und eine eindeutige Produktnummer. Das lasse eine produktbezogene Rückverfolgung. So könne man die Schwachstellen der Kühlkette eindeutig ermitteln und somit auch die Kosten dem Verursacher zuweisen.
Auch die Unterschiede der Mindesthaltbarkeitsdaten könne man sehr einfach berücksichtigen. Je nachdem, wie viel UV-Licht auf das Etikett gegeben werde, dauere es kürzer oder länger, bis die Referenzfarbe erreicht sei. TTI setze sich als Qualitätssiegel immer mehr durch, so dass es für leicht verderbliche Lebensmittel wie industriell verpackten Fisch sogar gesetzlich vorgeschrieben sei – beispielsweise in den USA. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Politik sich nur solcher Instrumente bedient, die auch bewiesenermaßen funktionieren“, weiß Büttgenbach.
Die TTI-Qualitätsgarantie sei aber nicht nur für Politik, Verbraucher und Handel wichtig, sondern auch für die Hersteller, so die Erfahrung von Daniel Kneuss Geschäftsleiter der Ernst Kneuss Geflügel AG http://www.kneuss.com in der Schweiz: „60 Prozent unserer Lieferungen gehen an Fleischereien. Und da gibt es gute und weniger gute Betriebe. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Produkte nur von den Besten verkauft werden, denn wir bürgen mit unserem Namen für ausgezeichnete Qualität. Wenn Handel oder Fleischer bei der Kühlung Fehler machen, dann bringt das auch unsere Kneuss-Produkte in ein schlechtes Licht. Auch wir brauchen eine Kette, die funktioniert. Wenn wir mit dem TTI-Etikett Fehler aufdecken, beweisen und beheben können, stärkt das unser Qualitätsmanagement.“ Mit TTI könne man jedes einzelne Produkt besser kontrollieren. „Bei den verschiedenen Schnittstellen vom Verladen über das Umladen in einen neuen Kühlraum, in ein Zwischenlager bis zum Endkonsumenten kann viel passieren – das ist ein langer Weg. Mit TTI können wir den Beweis erbringen, ob bei den unterschiedlichen Schnittstellen irgendetwas nicht stimmt“, skizzierte Kneuss die Vorteile für sein Unternehmen.
Die Expertenrunde war sich einig, dass genauere Informationen über den Frischegrad zudem große Vorteile für den Handel hätte. Wenn man mit dem TTI-System den Frischegrad für jede einzelne Packung ablesen könne, seien Sonderpreis-Verkäufe möglich für Packungen, die ans Ende der Lebensdauer gekommen sind. So habe WalMart berechnet, dass sich die TTI schon komplett über diesen Effekt rechnen würde. „Das Spektrum der Einsatzmöglichkeiten von TTI ist sehr breit. Es ist für alle Produkte denkbar, die irgendwie gekühlt werden müssen. Das betrifft Fleisch, Milchprodukte, Käse oder Fisch. Es betrifft aber auch Gewürze, Gemüse oder Obst. Aber natürlich auch pharmakologische Anwendungen. Wenn wir an Blut denken, das auch gekühlt werden muss. Wir haben sogar schon Anfragen bekommen für den Transport von Blumen von Holland nach Japan“, berichtete Bolle.
Gegenüber Konkurrenzprodukten sieht sich Bizerba gut positioniert. So weisen die Konzepte auf chemischer oder mikrobiologischer Basis Nachteile auf. Sobald eine bestimmte Schwellentemperatur überschritten wird, beginnen Bakterien auf dem Etikett abzusterben. Eine entsprechende Farbveränderung des Etiketts signalisiert den Verderb der Ware. „Das ist ein kritischer Faktor. Bakterien befinden sich in unmittelbare Nähe von Lebensmitteln. Im Bereich der Lebensmittellogistik sind die Forderungen an solche Systeme hoch: Sie müssen Informationen über Zustand und Geschichte des individuellen Produktes liefern, in der Anschaffung möglichst günstig sein sowie praktikabel in der Umsetzung, beim Konfektionierung und Auslesen der Daten. Außerdem sollten sie bestenfalls auf einem Etikett Platz finden. Denn vergleichbare Systeme wurden aufgrund ihrer Klobigkeit von Kunden oftmals mit einer Saucenbeilage verwechselt. Das TTI-Systemetikett von Bizerba kann sich variabel an die Verderbscharakteristik des entsprechenden Produktes anpassen. In unmittelbarer Nähe der Lebensmittel befinden sich zudem keine chemischen Substanzen. Das Label ist platzsparend, leicht zu aktivieren und kostengünstig in der Anschaffung“, resümierte Büttgenbach. Eine Meldung vom Medienbüro Sohn.
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