Berlin - Grüner Punkt und gelbe Tonne, eigentlich gedacht als Ausweis für umweltfreundliches Recycling von Verpackungen, „sind verkommen zu einer aberwitzigen Veranstaltung“, kommentiert die Wirtschaftswoche den Status Quo der Mülltrennung in Deutschland. Behörden seien nicht mehr in der Lage, das System zu überwachen, kapitulierte unlängst die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) in einem ihrer Berichte. Nach Angaben der Bundesländer gehörten zwischen 40 und 60 Prozent des Inhaltes der Gelben Tonnen dort nicht hinein, von der alten Videokassette, über den Einwegrasierer bis hin zur ausgefransten Klobürste.
„Umgekehrt stecken immer mehr Trennungsmüde alte Verpackungen in den normalen Hausmüll. Zwischen 30 und 50 Prozent aller Kunststoffverpackungen mit einem Grünen Punkt landen nach Untersuchungen des Witzenhausen-Instituts für Abfall, Umwelt und Energie in der grauen Tonne, in Großstädten ist der Anteil noch höher. Oft sei, so hat die FDP-Fraktion im Bundestag festgestellt, ‚der Inhalt von Restmülltonne und gelbem Sack fast identisch’“, so die Wirtschaftswoche.
Damit stehe nicht nur die Idee der gegenwärtigen Mülltrennung, sondern zugleich ihr wichtigster Repräsentant zur Disposition, das Duale System Deutschland, kurz DSD. „Denn noch immer gewährleistet die umstrittene 300-Mitarbeiter-Firma am Rande Kölns fast im Alleingang, dass die gelben Tonnen geleert werden. Doch der Beinahe-Monopolist, der seit gut zwei Jahren dem US-Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts (KKR) gehört, gerät in Bedrängnis. Aggressive Wettbewerber nagen gehörig am Umsatz“, berichtet die Wirtschaftswoche. Rettung könne allenfalls eine schnelle Änderung der Verpackungsordnung bringen. Doch gegen die Pläne von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD), mit einer fünften Novelle der Verpackungsverordnung vor allem dem DSD die Geschäftsgrundlage zu sichern, gibt es massiven Widerstand - in CDU und CSU, aber auch bei Gabriels eigenen Parteifreunden und von einzelnen Bundesländern. Eine Katastrophe für DSD: Denn selbst wenn das Unternehmen wider Erwarten bis 2009 überlebe, werde der zu erwartende Kompromiss der Koalitionsparteien das DSD bei Weitem nicht so stützen wie der ursprünglich im Bundesumweltministerium erarbeitete Gesetzesentwurf, spekuliert die Wirtschaftswoche. „Eine ,Lex DSD‘ darf es nicht geben", sagt Michael Brand, Berichterstatter der CDU/CSU für den Bereich Abfall im Umweltausschuss des Bundestages. Der Wettbewerb dürfe „nicht durch monopolistische Strukturen ausgebremst werden - das käme die Verbraucher teuer zu stehen".
Es nutze auch nichts, so ein Vertreter der Entsorgungswirtschaft, wenn jetzt Spitzenverbände von Handel und Konsumgüterindustrie das Ende des Mülltrennungs-Abendlandes an die Wand malen und das Bundeskanzleramt ermahnen, endlich die Novelle der Verpackungsverordnung auf den Weg zu bringen: „Die Chefberater und Lobbyisten, die die Pläne des Umweltministeriums stützen, machen die gleichen Fehler wie beim Kampf gegen das Dosenpfand. Damals ist mit der Auslistung von Mehrweg und mit zivilem Ungehorsam gedroht worden. Und nichts von alledem ist eingetreten. Auch jetzt wird wieder mit Horrorszenarien operiert. So soll ein Müllkollaps und eine Verdreifachung der Müllgebühren bevorstehen, wenn die haushaltsnahe Abfalltrennung scheitern sollte. Auch wird mit dem Totalausstieg der Handelskonzerne aus dem Grüne Punkt-System gedroht. Wenn immer noch mit der Mülltrennung Rekordgewinne und satte Renditen erwirtschaftet werden, schleifen sich solche Kassandra-Rufe sehr schnell ab“. Die Pegnitzer Recyclingfirma BellandVision spricht sogar von einem Täuschungsmanöver: „Die Bundesregierung zögert zu Recht, leichtfertig in einen Markt einzugreifen, ohne für diesen Eingriff triftige und nachvollziehbare Gründe zu haben“, teilte das Unternehmen in einer Presseerklärung mit.
Gemessen am Gesamtabfallaufkommen von 340 Millionen Tonnen, sei der Streit um Trennung von Verpackungen unverhältnismäßig, sagt Hermann Keßler, Abfallexperte beim Umweltbundesamt. Nur rund ein Prozent aller Abfälle würden durch das System erfasst. Dafür zahlten die Deutschen jedes Jahr 1,5 Milliarden Euro. Thomas Straubhaar, Leiter des Hamburgischen Weltwirtschafts- Instituts (HWWI), kommt darum zu dem Schluss, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Systems „sehr schlecht" sei. Carl Christian von Weizsäcker, Volkswirtschaftsprofessor am Bonner Max Planck Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, kritisiert, dass Deutsche dreimal mehr für die Verpackungsentsorgung zahlen müssten als Franzosen, obwohl in beiden Ländern die europäische Verpackungsrichtlinie gilt.
Wie soll ein Finanzinvestor mit dem DSD jetzt umgehen? „Die Branche ist inzwischen so stark konsolidiert, dass sich kaum ein Entsorger findet, der das DSD ohne kartellrechtliche Probleme kaufen könnte. Bleibt mit großer Wahrscheinlichkeit nur ein anderer Finanzinvestor als Käufer", sagt Ex-DSD-Manager Fritz Flanderka. Ohne Rückenwind durch eine Verpackungsnovelle sei kaum ein Investor zum Einstieg zu bewegen.
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